Tag 5 – Jönköping—Ödeshog

Tag 5 – Jönköping—Ödeshog

Die Sonne scheint durchs halb geöffnete Fenster und ich wache auf. 5.34 Uhr. Mehr als eine Stunde bevor ich eigentlich aufstehen wollte. Die Nacht war zu kurz und ich merke meinen Augen schon an, wie klein und müde sie aussehen dürfen, bevor ich in den Spiegel sehe. Über Nacht sind alle Klamotten getrocknet, sodass ich nicht nur frisch geduscht sondern auch in gewaschen riechenden Sachen in den Tag starten kann. Eine gute Sache!

Der WarmShowers-Host, mit dem ich am Vorabend noch mit Bier am Küchentisch saß, ist auch jetzt wieder dort. Ich soll mich ruhig bedienen und wie zuhause fühlen – entsprechend üppig fällt das erste Mahl des Tages aus. Joghurtdrink mit Waldfrüchten, Orangensaft, Tee, Oatmeal mit etwas Honig und ein Sandwich mit geräuchertem Truthahn stellen den Einklang in den Tag dar. Wir quatschen noch etwas, bis er zur Arbeit muss, dann dusche ich und breche auch zeitnah auf.

Der Radweg entlang der Südseite des Vättern ist fabelhaft glatt und eben, sodass ich die ersten Meter schnell hinter mich bringe. Irgendwann überholt mich eine Horde niederländischer Mountainbiker mit Rädern, die aussehen als haben sie in ihrer bisherigen Lebzeit ausschließlich Straßen gesehen – es ist traurig! Als kleine Herausforderung an mich selbst bleibe ich mittendrin im Pulk der Radler und halte den >30km/h-Durschnitt für eine ganze Weile, bis sich unsere Wege trennen.

Dann geht es bergauf und ich verfahre mich, weil ich im hellen Sonnenlicht die Streckenmarkierung meiner Route nicht erkenne. Erst nach 500m Schotterpiste mit üblem Anstieg werde ich des Fehlers gewahr. Meine neue Abzweigung führt mich allerdings auch wieder auf die Ursprungsroute zurück, sodass ich nicht umkehre

Beim Pedallieren entlang leerer Straßen fallen mir zwei Norweger ins Auge, ebenfalls mit Mountainbikes, die am Straßenrand stehen, in der einen Hand das hintere Laufrad. Ich frage, ob ich irgendwie helfen könne und beschere damit meinem Multitool seinen ersten Auslandseinsatz. Nachdem alles repariert ist, bedanken und verabschieden sich die beiden, das Spiel mit den Holländern wiederholt sich hier allerdings. Trotz schweren Gepäcks rollen meine Reifen einfach bedeutend besser und meine allein in der kurzen Zeit wiedergewonnene Kraft in den Beinen ist nicht zu vernachlässigen.

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Mein nächstes Ziel ist Gränna, eine Stadt an der Ostseite des Vätternsee, die für mich hauptsächlich wegen des Fähranlegers Richtung Visingsö relevant ist. Sowohl im Vorfeld im Gespräch mit Bekannten als auch vom WarmShowers-Host wurden mir die Insel und die in der Region hergestellten Zuckerstangen empfohlen, also fahre ich rüber. Zuvor hatte ich geguckt, wann dir Fahrtzeiten sind und mir 12.00 Uhr als passend ausgesucht und landete dann um 11.59 Uhr und viel zu schnell am Anleger, um gerade noch so an Deck zu huschen. Auf Nachfrage wurde mir gesagt, ich könne das Ticket an Bord kaufen, so recht finden konnte ich dort aber niemanden und auch kein Kontrolleur kam in meine Nähe. Naja, zahle ich eben, wenn ich zurück fahre.

Die Fahrt ist schnell rum und nach weniger als einer halben Stunde bin ich auf Visingsö angekommen. Mein erstes Ziel sind die Überreste einer Burg nahe das Anlegers. Es ist gerade noch so die Fassade vorhanden, für den von wenigen Mauerresten gesäumten Innenraum gibt es nur einen per Zaun versperrten Zugang.

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Nach Ruine I geht es zu Ruine II der Insel, die sich auf der Südseite beinahe am Zipfel befindet. Ich folge einem Wanderweg, merke aber schon nach wenigen Metern, dass der Name Programm ist und der Weg so gar nicht für mein Rad ausgelegt ist. Wurzeln der umgebenden Bäume schlängeln sich den ganzen Pfad entlang und kreuzen ihn spätestens alle fünf Meter, dazu kommen Bodenwellen und kleine Löcher überdeckende Holzbrücken, die allerdings selten eben mit dem bisherigen Weg sind. Ich entschließe mich dennoch, dem Weg weiter zu folgen und halte das auch mehr als 2km durch, bis ich dann doch auf die Hauptstraße wechsle, als sich die Möglichkeit ergibt. Bis dahin war die Aussicht fabelhaft und ich hatte direkte Sicht auf den See, der besonders in Inselnähe noch so klar ist, dass ich von oben die ersten paar Meter den Untergrund sehen kann.

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An der Burg angekommen gönne ich mir eine Zwischenmahlzeit bestehend aus Banane und Nüsschen sowie meinem letzten Fruchtriegel aus Deutschland und gehe ein wenig in mich. Die nächste Fähre fährt ohnehin erst in einer Stunde, also habe ich jede Menge Zeit.

Kurz vor der Rückfahrt der Fähre möchte ich mir zuvor genannte Zuckerstangen – Polkagrisar – kaufen, der Kiosk auf der Insel nimmt aber nur Bargeld und irgendein mir unbekanntes Handybezahlsystem an. Also erstmal keine für mich.

Auf der Rückfahrt erwarte ich erneut, dass ich irgendwo zahlen kann oder mich irgendwer nach einem Ticket fragt, das passiert aber nicht. Das gesparte Geld investiere ich dann in Gränna in eine Pizza und drei Zuckerstangen in verschiedenen Geschmacksrichtungen – süß sindse alle.

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Nach der Pizza setzen irgendwie Trägheit und latente Unzufriedenheit ein, die ich nicht näher definieren kann, aber es bringt ja alles nichts, also fahre ich weiter und hoffe auf Besserung. Es geht viel bergauf und ich merke, wie die knallende Sonne meine Rothaarigenhaut verbrennt, auch wenn ich Sonnencreme und Langarmshirt drüber trage.

Ich komme nach etwas Radelei an einem Golfplatz an, an dem ich ein Gebäude fotografieren möchte. Vorher warte ich aber noch, bis drei Rentner aus dem Bild sind, die direkt auf mich zukommen. Sie sprechen mich erst auf Schwedisch, dann auf ein „Jag talar inte svenska“ auf Englisch an, ob ich bei irgendwas Hilfe bräuchte – Nein, danke. Als sie herausfinden, dass ich aus Deutschland komme, schwenken sie auf leicht angestaubtes, aber verständliches Deutsch um. Als sie miz dem Ruhrgebiet als Herkunftsregion nichts anfangen können, erwähne ich Köln und einer der drei tut so, als rieche er an mir und sagt: „Ahhh, Kölsch Wasser?!“ Eine lustige Begegnung! Die drei waren wohl schon öfter in Deutschland, meist Hamburg.

Nach dieser Begegnung schleppe ich mich hauptsächlich nur noch leicht genervt durch die Gegend. Wo das herkommt, weiß ich immer noch nicht, aber ich fahre weiter, wenn auch stellenweise eher langsam und mit vielen Pausen.

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Dann entschließe ich mich, den nächstbesten Campingplatz aufzusuchen und steuere daher „Öninge Camping“ an, der sich als sauberer und gut ausgestatteter Campingplatz nur wenige hundert Meter von Stadt und See entfernt entpuppt. Für 70 Kronen bekomme ich meinen Stellplatz und eine zeitlich und häufigkeitsunbegrenzte Dusche – ein faires Angebot. Zudem gibt es gegen Kleingeldeinwurf Waschmaschinen und Trockner. Die Küche besteht aus zwei Herden, zwei Mikrowellen und allerhand Geschirrspülmöglichkeiten. Für den Preis wird hier viel ermöglicht! Auch ein kleiner Kiosk mit Lebensmitteln, Hygieneartikel und Campingzubehör ist vorhanden und es wird ein Frühstück angeboten.

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Das Zelt aufgebaut und noch den Sonnenuntergang betrachtet falle ich schnell ins Bett, allein der nach Untergang kommenden Kälte wegen, und schlafe auch bald ein.

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