Tag 7 – Askersund Ö—Usken
Der siebte Tag beginnt mit Vogelgezwitscher und etwas Kälte, sobald ich Körperteile aus dem Schlafsack recke. Die Nacht verlief ruhig, aber mein Schlafsack ist von außen wieder etwas feucht, die Innenwand ebenso. Am Vortag hatte ich über Nacht den Getierschutz am Eingang etwas offen gelassen, sodass mehr Luft reinströmt, was geholfen hat, so nah an einem See wollte ich dann aber trotz kalter Temperaturen nicht in die Gefahr kommen, gestochen zu werden.
Den Schlafsack kann ich in der Sonne auf einem am Ufer liegenden Boot trocknen lassen, während ich das restliche Zeug einrolle und einpacke. Statt eines ordentlichen Frühstücks stopfe ich mich erstmal nur mit Tuc-Crackern und den Resten der Lakritzbilar vom Vortag voll und fahre nach Einpacken des Schlafsacks los.
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Das Fahren beginnt wie es am Vortag aufgehört hatte: Es geht weiter durch Wälder, immer wieder auf und ab und alle paar hundert Meter kommt wahlweise ein Dorf, das aus wenigen Häusern besteht oder ein See.
In Hallsberg mache ich meinen ersten Halt. Noch bevor ich die Stadt erreiche, in der ich einen Supermarkt aufsuchen möchte, spricht mich ein Rennradfahrer an, wo ich denn herkomme und wohin es geht. Er ist begeistert von der Idee und fährt nach unserem kurzen Gespräch wieder von dannen. Nett!
In der Stadt findet gerade ein Markt odet Jahrmarkt statt, so genau kann ich das auf die Entfernung nicht erkennen. Es gibt eine abgesperrte Straße und allerhand Menschen tummeln sich, der Geldautomat beim Coop Konsum zieht eine lange Schlange an. Dort kaufe ich dann den obligatorischen Früchte-Trinkjoghurt, der inzwischen fester Bestandteil meiner morgennahen Einkäufe geworden ist. Dazu gibt es ein paar Teilchen und eine Konserve mit etwas zu essen für später. Die drei Teilchen im Angebot atme ich noch vor dem Laden ein, den Joghurt ebenso, und werde dabei erneut angesprochen. Wieder ein Rennradfahrer, aber diesmal nicht auf einem Rennrad sondern in zivil. Zwei Menschen in so kurzer Zeit, die nach meinem Vorhaben fragen, sind mir neu. Ist diese Region hier offener?
Weiter geht es durch nun etwas städtischer gewordenes Terrain. Mein nächstes Ziel ist Örebro, wo ich mir etwas zu essen suche. Pizza gab es in den letzten Tagen zu genüge zum Mittagessen, also entscheide ich mich heute für Subway. Ähnlich wie Jönköping ist die Stadt sehr voll im Vergleich zum zuvor Befahrenen und ich merke, dass nach der all der Idylle und Stille im „Hinterland“ jedes überflüssige Geräusch zum nervigen Faktor wird. Ich wünsche mir Elektroautos herbei.
Mein Sandwich essend erhöht sich der Zähler auf Drei, denn nachdem jemand mein Rad vorm Laden stehen sah, geht er rein und spricht mich an. Er selbst sei vor fünfzehn Jahren einmal quer durch Schweden gefahren und interessiere sich sehr für Fahrräder und das Radfahren. Wir kommen etwas ins Gespräch und ich zeige ihm meine geplante Route, wobei er zu einigen Regionen etwas zu erzählen hat. Wie so oft in den letzten Tagen weist auch er mich darauf hin, wie toll das Wetter aktuell sei und dass es letzte Woche heftige Regenschauer und Hagel gegeben habe.
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Ich esse zu Ende und steuere auf das Schloss zu, wobei mir auffällt, dass ich hier – also in der Stadt – vor Jahren schon einmal war. Als mir das im Vorfeld gesagt wurde, war ich mir unsicher, jetzt erkenne ich aber einiges hier wieder. Einmal ums Schloss rum, vorbei am Bahnhof und dann nordwärts setze ich deshalb meine Tour fort. Mir ist heute nicht nach Sightseeing und vielen Menschen und ich möchte zurück in die Stille.
Und die bekomme ich dann auch. Zunächst kilometerweit entlang Straßen durch Felder und Wälder, bis irgendwann ein Schild Richtung Nora nach links weist, das mit meiner Route übereinstimmt. 19km seien es. Die ersten 100m nach der Kurve sind noch asphaltiert, doch dann beginnt, was mich noch einige Minuten bis gar Stunden aufhalten wird: Schotterpiste, die so schwergängig ist, dass ich kaum eine gerade Spur fahren kann. Ich eire etwas kraftlos und lustlos durch die Gegend, jedes vorbeifahrende Fahrzeug erhöht durch massiv aufgewirbelten Staub die Patina sowohl auf mir als auch auf dem Fahrrad; schützend halte ich mir ein Tuch vor Mund und Nase.
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Die Strecke ist eine Tortur und kostet mich einiges an Zeit und wird auch erst ein wenig besser als mich ein Wegnässer-LKW passiert. Wie der genaue Fachname für diese Fahrzeuge ist, weiß ich nicht. Es war jedenfalls ein LKW, der mit gleichmäßig am Heck verteilen Düsen den Bodenbelag weniger trocken zu machen versucht. Ein wenig hilft es und ich fahre auf seinen Spuren in die Richtung, aus der er kam.
Kurz vor Nora endlich Asphalt. Eventuell habe ich einen mittellauten Freudenschrei ausgestoßen – so lang habe ich bisher für so wenig Strecke noch nicht gebraucht. Ich passiere Pershyttan, ein altes Bergarbeiterdorf, das mir mit seinen ausrangierten Waggons auf Schienen, die als Restaurant neue Verwendung finden, verdammt bekannt vorkommt. Auch der Naturstieg zur Mine holt Erinnerungen hervor. Vor etwa sechs Jahren war ich schon einmal hier, nur dass es durchgehend geregnet hatte. Kein Vergleich zu den 20°C bei blauem Himmel heute.
Noch vor Ankunft in Nora erhalte ich zwei Übernachtungstipps: Über Facebook wird mir das Vandrahem direkt am See in ebenfalls ausrangierten Waggons empfohlen, per Twitter ein Campingplatz. In der Stadt angekommen bin ich entzückt vom Bahnhof und Vandrahem, entscheide mich aber gegen eine Übernachtung dort, da ich durch meine späte Ankunft in Nora (18 Uhr) und meine meist recht frühe Abfahrt kaum etwas von dieser coolen Schlafgelegenheit hätte. Es kommt aber auf meine Wunschliste für irgendwann später.
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Zusätzlich für den Campingplatz spricht auch das Vorhandensein von Waschmöglichkeiten und nach dem Waschgang in Jönköping würde ich gern wieder eine Ladung durchwaschen, die ich bisher nur notdürftig unterwegd handgewaschen habe.
Der Campingplatz ist fabelhaft. Weiträumig, aufgeräumt und meist sauber, mit Minigolfanlage, Waschräumen, Kirche, Frühstücks- und Aufenthaltsraum und Lage im Nichts direkt am See. Vor den Duschräumen steht außerdem ein mobiler Whirlpool, von dem ich allerdings nicht weiß, ob er Gästen oder dem Platz gehört, denn direkt daneben stehen Wohnmobile und PKW.
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Mein Fertigabendessen aus der Dose genieße – in der Idylle würde selbst trockenes Brot großartig schmecken! –ich auf einem Steg, der auf dem Wasser schwimmt. Ich habe meinen Kocher einfach dorthin mitgenommen und bleibe dort ein ganzes Weilchen sitzen und genieße. Dass ich meine Füße kurz ins Wasser eingetaucht habe, bereue ich schnell, denn das Wasser ist grässlich kalt für meinen Geschmack. Naja. Dann eben nur gucken und fotografieren.
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Nachdem die Waschmaschinenladung durch ist, bastle ich mir einen Wäscheständer, der mein Fahrrad, das Zelt und zwei Bahnen Paracord involviert, hänge alles auf und falle nach einer Dusche dazwischen bald müde ins Bett. Schön ist es hier und es geht mir fabelhaft.
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4 Replies to “Tag 7 – Askersund Ö—Usken”
Was den Wäscheständer angeht, so habe ich 2012 entdeckt, dass das Fahrrad einen prima Trockner abgibt, wenn ich meine beiden Spanngurte, die den Packsack halten, links und rechts vom Gepäckträger zu den Lenkergriffen spanne und so zuziehe, dass der Lenker relativ gerade ist. Dann lässt sich an den beiden Spanngurtbahnen recht viel Wäsche stabil aufhängen :)
Ich wünsche Dir weiterhin eine gute Reise und viele unvergessliche Eindrücke.
Spannender Blog. Erinnert mich an die eigene Reise nach Skandinavien nach dem Abitur mit einem Schulfreund – allerdings im Auto und in Jugendherbergen.
Die Fotos machen direkt Lust, mal wieder in den Norden zu reisen.
Weiterhin gute Reiseerlebnisse!
Tolle Fotos, toller Blog!
Gerade möchte ich gerne mit dir tauschen.
Das kann ich nur allzu gut nachvollziehen. Danke!
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