Tag 9 – Sellnäs—Siljansnäs
Wie vermutet verlief die Nacht ruhig. Am Vorabend beunruhigte mich ein Pick-Up-Truck mit recht jung aussehenden Insassen noch etwas, da sie verdächtig nah an mein Zelt heranfuhren, etwa eine Minute stehen geblieben waren, um dann weiterzufahren, aber die Sorge war unbegründet. Der Verkehr – sofern man bei dem geringen Aufkommen in der Region davon sprechen kann – beginnt erst nach meinem Aufstehen, also wache ich halb durch das Licht der Sonne, das durch die im Schlaf verschobene Maske fällt, halb durch die sich entwickelnde Wärme der direkten Einstrahlung auf das Zelt auf. Frühstücken will ich wegen der ganzen Tierchen hier nicht, also packe ich relativ fix meine sieben Sachen und ziehe von dannen.
Nach wenigen Kilometern stoße ich auf ein Schild das rechts entlang nach Tron weist, amüsiere mich kurz und denke an den verstorbenen Hacker und die Filme und achte indes nicht mal auf die Karte, die genau in diese Richtung zeigt. Munter folge ich der gut geteerten Straße geradeaus und bin fast verwundert, dass mein Weg nicht gleich außerhalb der letzten Ortschaft auf einer Schotterpiste beginnt; dafür geht es aber steil bergauf. Erst nach anderthalb Kilometern, als ich eigentlich nur nachgucken wollte, wo der nächste See ist, an dem ich frühstücken könnte, werde ich mir des Fehlers gewahr, ärgere mich kurz über unnötige 3km und vor allem die Steigung, freue mich aber kurz darauf wieder über die Bergabpassage.
Meine Verwunderung zuvor setzte sich natürlich dann auch direkt in Bestätigung um: Der eigentliche Weg führt über Schotterpisten. Befahrbare zwar, aber dennoch. Am Tron, einem kleinen, recht länglichen See, frühstücke ich dann letzte Reste Brot auf und esse viel zu viele Cashews. Was sind die auch so lecker?
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Der nächste längere Halt findet dann erst in Djurås statt, wo ich auf den Dalälven oder vielmehr seine zwei Arme – Öster- und Västerdalälven – stoße. Beide sind sehr ruhig und idyllisch und spiegeln wunderbar die Umgebung und Wolken. Sicher gut zum Kanufahren! Ein kurzer Einkauf treibt mich nach Djurås, danach soll es aber auch bald weitergehen. Vorm Coop Konsum fällt mir auf, was in allen etwas größeren Orten mit Supermarkt bisher der Fall war: Dort sitzt/steht eine Frau, die um Geld bittet. Mangels ausreichender Schwedischkenntnisse kann ich mit den Schildern aller bisherigen nie viel anfangen, aber alle grüßen sie freundlich und bescheren mir ein schlechtes Gefühl, da ich nie etwas geben kann, bin ich doch fast immer ohne Bargeld unterwegs.
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In Gagnef dann ein nächster Halt. Nach einer schnuckeligen kleinen Brücke sehe ich ein Café/Thai-Restaurant und wollte mich erst nur für einen Kakao dort hinsetzen, finde mich aber zehn Minuten später mit Hähnchenfilet, gerösteten Cashews, Zwiebeln, Champignons und Paprika aus dem Wok mit Reis vor mir wieder. Wie die Zufälle eben so spielen. Das passiert einfach so. Gerade sehr zufrieden aufgegessen – es war äußerst lecker! – spricht mich ein alter Schwede (Verzeihung …) an. Seine Frage erwidre ich mit dem in letzter Zeit fast etwas üblich gewordenen Jag talar inte svenska erwidre; ich spreche kein Schwedisch. Er antwortet daraufhin in derselben Sprache etwas das wie Das klingt aber anders; verstehst du schwedisch? klingen könnte. »Njäääh«-Handgeste und dann in gebrochenem Englisch die Frage, wo ich hinmöchte und nach Antwort der Wunsch einer guten Reise. Trotz Sprachbarrieren freundlich. Ich mag das!
Noch einmal die Wasserflaschen aufgefüllt geht es weiter. Ich merke, dass ich es nicht mag, navigiert zu fahren. Statt einfach nur die Karte mit der darauf eingezeichneten Route vor mir zu haben, lasse ich mich diesmal auf einer etwas anderen Route navigieren, denn es soll zum Flygplats Siljansnäs gehen. Ein Ziel, das mir schon vorher bekannt war, das ich in meiner Routenplanung aber einfach noch nicht drin hatte. Aus irgendeinem Grund stresst es mich, die Kilometeranweisungen auf dem Display zu sehen und jeder Kilometer zieht sich mehr als es die Tage zuvor je der Fall war.
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Bald erreiche ich dann Leksand oder zumindest seine Außenbezirke und fahre auch an dem Werk mit anliegendem Verkauf für das Lokal gefertigte Knäckebrot, das ich, erkennbar an Namen und Dalarnapferd, schon in jedem Supermarkt auf dem Weg bis hier sehen konnte. Aufgrund der unpraktischen Größen kaufe ich aber nichts und fahre weiter. Der Siljan ist zu sehen und mir geht das Herz auf. Diese Region ist es, die in meiner Erinnerung so stark positiv verankert dafür sorgte, dass überhaupt der Plan entstanden war, einmal mit dem Rad durch Schweden zu fahren und jetzt bin ich wieder hier.
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Den See mal mehr, mal weniger sehend komme ich bald am Flugplatz an. Es ist ein kleiner Flugplatz, hauptsächlich für Segelflieger und kleine Motormaschinen gedacht. In Mails, die ich zuvor mit dem Chef geschrieben hatte, haben wir uns offenbar missverstanden, denn weder ist bei meiner Ankunft noch eine der erhofften Hütten frei, noch kann ich mit ihm eine halbstündige Runde im kleinen Motorflieger mitdrehen. Zelten darf ich aber gern und für 50 Kronen (~5€) bekomme ich den Platz fürs Zelt, eine Dusche und Waschmaschine zur Verfügung gestellt. Kurze Freude darüber, dann erstmal geknickt sein.
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Lange sitze ich etwas quengelig auf dem Gras vor dem kleinen Hauptgebäude des Flugplatzes, baue dann aber irgendwann in der um vier Uhr noch sehr stark auf mich einknallenden Sonne mein Zelt auf. Um Geräte zu laden und Bilder zu übertragen begebe ich mich ins Haupthaus und treffe dort auch die von Ingmar, dem Flugplatzchef, angekündigten zwei Schotten – Vater und Sohn – und zwei Schweizer, die aus ihren jeweiligen Ländern mit zwei kleinen Einrotormaschinen geflogen kamen. Als ich ein wenig mit den Schweizern ins Gespräch komme, erzähle ich über meinen eigentlichen Grund des Aufenthals am Flugplatz und dann kommt, was ich mir nicht mal als schüchterne Frage überlegt hätte: Mir wird vorgeschlagen, noch einmal eine Runde im Flieger mitzufliegen und den Siljan von oben zu sehen. Ich bin völlig aus dem Häuschen und grinse schon blöd rum, bevor wir überhaupt in der kleinen Maschine sitzen.
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Entgegen meiner Erwartung ist der Flug erstaunlich ruhig und selbst kleinere Turbulenzen fühlen sich kaum spektakulär an. Die Aussicht ist dafür der absolute Wahnsinn. Es ist wirklich noch einmal etwas völlig anderes, das alles von oben zu sehen als nur die beschränkte Sicht aus etwa 1.60m Höhe auf dem Rad zu haben. Ich fotografiere einige Stellen und freue mich jetzt schon auf schöne Erinnerungsphotos, die ich mir nach Heimkehr zuhause ansehen kann. Einfach großartig! Nach der Landung danke ich den beiden vielmals und sitze noch ein wenig mit dem Schotten und den beiden im Aufenthaltsraum des Häuschens. Es amüsiert mich, zwei Exoten der jeweiligen Sprachen (Deutsch/Englisch) vor mir zu haben und ich merke schon bald, wie mein Englisch und Deutsch plötzlich Dialektfärbung kriegen.
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Noch etwas Bilder und den vorigen Blogpost hochgeladen geht es dann auch kurz danach ins Bett. Ich kann beglückt einschlafen und alles ist phantastisch!
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