Tag 27 – Kautokeino—Karasjok Kommune

Tag 27 – Kautokeino—Karasjok Kommune

Es ist sehr angenehm, mir morgens einfach Zeit zu lassen. Nicht, dass es in den ersten drei Wochen stressig gewesen wäre, vor zehn Uhr loszufahren, aber es hat schon eine völlig andere Qualität, mir bis zwölf Uhr Zeit lassen zu können. Oder noch länger. Ich habe noch so viel Zeit, dass ich glatt noch einen Tag bleiben könnte. Aber so spannend oder herausragend schön ist Karasjok nicht unbedingt.

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Trotz vier unterschiedlichen Wetterberichten, die ich mir in Apps und Webseiten ansah und die einen trockenen Tag vorhersagen, regnet es. Nicht viel zwar, aber genug, um das Zelt von außen sichtbar zu befeuchten. Aber egal, ich dusche erstmal, frühstücke in aller Ruhe und reinige direkt auch mal mein Besteck und den Topf vernünftig mit heißem Wasser, Schwamm und Bürste und baue das Zelt erst ab, nachdem der Regen vorüber ist.

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Um zwölf geht es dann los und die Landschaft setzt sich ähnlich fort, wie sie am Vortag endete. Es ist viel Brachland zu sehen, aber noch mehr Bäume, die noch ein Weilchen auf ihren Frühling warten. Es ist recht kühl, wenn die Sonne von Wolken bedeckt wird und der Wind macht alles noch eine Spur kälter.

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Kurz nach der Gabelung, an der ich mich für den einige Kilometer längeren Weg zum Nordkap über Karasjok entscheide, treffe ich Pete. Ein Australier mit über den Hosenbund ragenden Bauch, Vollbart und in seinen mittleren Fünfzigern. Er ist nach Honningsvaag geflogen und nimmt nun den Weg südwärts. Obwohl sein Rad gefühlt kaum beladen ist – lediglich zwei Taschen links und rechts hinten sowie eine kleine Rolle obendrauf –, erzählt er mir, dass er noch Dinge zurückschicken möchte. Wir unterhalten uns kurz über Packmaße und ich gebe meine Einschätzung zum besten, dass mich 5-10kg mehr oder weniger auch nicht signifikant schneller machen und ich dafür lieber etwas mehr Komfort habe.

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Er erzählt mir auch von einem Deutschen, den er auf dem Weg getroffen habe und der zu Fuß von Nordkapp aus zurück nach Deutschland läuft, um Geld für Flüchtlinge zu sammeln. Ich hoffe, ich treffe ihn noch, um mich ein wenig mit ihm unterhalten zu können!
Einen guten weiteren Weg wünschend verabschieden wir uns wieder und fahren umgekehrt entlang der vorigen Wege des jeweils anderen.

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Am Láhpojávri mache ich meine Mittagspause mit Erbsensuppe und geräuchertem Fleisch, die ich in Finnland gekauft hatte. Dabei treffe ich auf zwei Münsteraner, die seit Pfingstmontag mit ihren Motorrädern unterwegs sind, hier in Norwegen aber wohl bedeutend schlechteres Wetter als ich hatten. Meine zwei Regentage insgesamt waren ihre zwei Sonnentage. Die beiden strahlen eine solche Ruhe aus, dass ich mir in meinem Gerede fast hektisch vorkomme. Als wir auf die Landschaft zu sprechen kommen, erzählen sie, dass es wohl bald schon grüner werde. Das kann ich mir momentan kaum vorstellen, freue mich aber sehr darauf.

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Als die beiden wegfahren, kann ich mich meinem Essen widmen und nebenbei meine allerersten Ergänzungen zur OpenStreetMap beitragen. Zwar füge ich der Weißheit der Landkarte bloß ein paar Mülleimer und Picknicktische hinzu, aber immerhin kann ich so ein bisschen was zurückgeben und zu dem Produkt beitragen, das mich seit mehr als 2500km durch Skandinavien führt.
Die Stille der Natur ist beeindruckend; in der Ferne höre ich ein paar Vögel, ansonsten macht das leichte Geknister meiner Hose beinahe mehr Lärm als die Umgebung. Ich gucke beim Essen auf den sehr ruhigen See, der die Wolken am Himmel perfekt spiegelt und genieße. 13°C sei das Wasser kalt, sagten mir die beiden aus Münster zuvor. Mir viel zu kalt, um auch nur mit den Füßen reinzugehen.

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Nach dem Essen geht es weiter und ein paar Kilometer nördlicher im Land könnte ich schwören, eine Elchkuh gesehen zu haben. Mein Photo ist am Handy leider zu undetailliert, das werde ich mir zuhause noch einmal genauer ansehen müssen, stand das Tier doch einige Meter von mir entfernt und der Zoom meiner Kamera ist begrenzt.
Rentiere sehe ich auf dem Weg auch noch mal einige und damit auch die ersten in Norwegen.

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Hinter jeder Biegung vermute ich, einen Kapradler zu sehen, die Straße bleibt aber einsam und so kämpfe ich mich Kilometer um Kilometer, Höhenmeter hoch und runter durchs Land. An einem Punkt weist ein Schild auf ein Gefälle von 8% hin und ich freue mich bereits: Knie nach innen, Oberschenkel gegen Sattel und Oberrohr gepresst, Hintern nach hinten, Rücken flach, Kopf runter. 40km/h … 45 … 50 … 55 … 60 … 62. Die Tränen laufen mir das Gesicht entlang nach hinten am Ohr vorbei, ich drücke jeweils das kurvenäußere Pedal fester Richtung Boden, um vernünftigen Halt zu haben und nicht auf der Straße wegzurutschen. Es ist toll!

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Ein paar Kilometer danach finde ich einen Rastplatz, an dem ich mir ein Plätzchen für mein Zelt aussuche. Trotz an sich durchgehend sichtbarer Sonne wird es ab 21 Uhr ordentlich kalt, weil die Sonne an meinem Standpunkt doch untergeht, den Bergen sei Dank. Also wärme ich mich mit langer Unterhose und Lagerfeuer etwas auf, bevor ich mich ins Zelt verkrieche, um, zu müde zum Bloggen, immerhin die Bilder des Tages hochladen zu können und danach zu schlafen.
Erst fällt mir auf, dass ich den Adapter zum Übertragen der Kamerabilder ausnahmsweise nicht in der Lenkertasche im Zelt habe, sondern in einer der Packtaschen. Ich bin aber gerade schön aufgewärmt und will nicht raus … Hadern … einige Minuten später wage ich mich dann doch noch einmal raus. Um dann herauszufinden, dass entweder das Kabel einen Wackelkontakt hat oder mein Kartenleser defekt ist. Verdammt. So kurz vorm Ziel! Neustart des Handys, Pusten in den Adapter, es hilft alles nichts, die Übertragung schlägt entweder sofort oder nach wenigen Bildern fehl. Naja, bringt ja heute alles nichts mehr, also lege ich mich schlafen.

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Wieder mal mit Kopfhörern das Zelt aufgebaut, habe ich wieder einmal nichts vom Lärm meiner Umgebung mitbekommen. Ein großer Fluss in der Nähe rauscht mit großem Getöse. Da ich aber oft mit Rauschen aus dem Handy einschlafe, was durchaus manchmal hilft, habe ich heute auch kein Problem, das Rauschen zum Übertönen meiner Gedanken zu nutzen und schnell in einen tiefen Schlaf zu fallen.

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