Tag 26 – Enontekiö (FI)—Kautokeino (NO)

Tag 26 – Enontekiö (FI)—Kautokeino (NO)

Mareike ist so freundlich, meiner Reise auch auf ihrem Blog eine kleine Bühne zu bieten, daher findet ihr denselben Post auch noch mal bei ihr.

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Ich kann zwar nicht langsamer fahren, ohne mich selbst zu nerven, aber mehr Pausen machen und viel später in den Tag starten. So trödle ich also heute bis fast elf Uhr vor mich hin, lese im Zelt noch ein bisschen und erst als ich sehe, dass dunkle Wolken gefährlich schnell näher kommen, packe ich in Windeseile alles ein. Und tatsächlich beginnt es direkt, als ich fertig bin, zu regnen. Allerdings nur für kurze Zeit.

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Starker Gegenwind fordert mir viel Kraft ab, die ich sonst in mehr Vortrieb umwandeln könnte und so geht es nur sehr schleppend voran. Irgendwie bin ich heute außerdem etwas demotiviert. Nach gerade einmal 12km folge ich einem Schild zum Kelotin Rantamajat, was, wenn ich der Übersetzung durch Google trauen kann so etwas wie Kelotin Strandhütten bedeute. Passt – es handelt sich um einen Campingplatz mit Hüttenvermietung, die direkt an einem sehr hübschen See liegt.

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Ich wanke etwas müde in ein Holzhaus, an dem außen ein Schild mit Kaffeetassenpiktogramm befestigt ist und frage auf Englisch, ob ich vielleicht etwas Kaffee oder Kakao haben könne. Die beiden anwesenden Betreiber gehen völlig in ihrer Gastgeberrolle auf und servieren mir Kaffee, Milch, Zucker, Schokoplätzchen, kleine Küchlein und Saft und bitten mich auch gleich noch um einen Gästebucheintrag. Während ich so an meinem stark verdünnten, denn eigentlich mag ich Kaffee nicht so wirklich, Kaffee schlürfe, blättre ich ein wenig durch die Seiten und finde einige deutsche und englische Danksagungen. Auch einige Nordkappradler sind darunter. Vor allem aber Winterurlauber, die der Nordlichter wegen herkamen und sich auch eine Schlittenfahrt mit Rentier oder Hunden gönnten. Die Berichte lassen traumhafte Szenerien in meinem Kopf aufblühen, denn im Winter ist dieses aktuell sehr trist aussehende Nordland sicher großartig.

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Zum Schluss trage ich mich auch noch ein und komme noch ein wenig mit der Schwiegertochter der Betreiber ins Gespräch. Der Winter bzw. Schnee sei gerade mal seit drei Wochen weg, dann aber auch gleich sehr schnell geschmolzen. Das erklärter einiges.
Für Kaffee und Kuchen zahle ich dann 4€ und will gerade gehen, als der Betreiber mit einem angeleinten Rentier und zwei Schafen um die Ecke kommt, die dann erstmal ein Weilchen meine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Während ich das Rentier streichle, löst sich bereits einiges an Fell. Summer! erklärt er mir. Das flauschige Wesen sei drei Jahre alt und heiße Lukas erzählt er mir außerdem. Eine schöne Begegnung! So nah war ich diesen mich in den letzten Tagen so häufig begleitenden Tieren bislang noch nicht.

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Durch die zwei Kaffee etwas wacher – ich habe seit drei Wochen kaum Koffein eingenommen – geht es dann weiter und ich bin bald an der finnisch-norwegischen Grenze.

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Der Grenzübergang ist ähnlich unspektakulär wie der schwedisch–finnische vor wenigen Tagen, lediglich eine Zollstation kommt hier dazu. Da gerade ein den Wolken nach nicht lang dauernder Regenschauer aufzieht, stelle ich mich ein Weilchen vorm Zollhäuschen unter, um nach wenigen Minuten meine Fahrt trocken geblieben fortsetzen zu können.

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In einem schleichenden Prozess änderte sich die Landschaft auf den letzten Kilometern etwas um ab Norwegen nun in völliger Tannenlosigkeit zu enden. Dadurch, dass der Winter gerade erst vorüber ist, haben die zwar recht zahlreich vorhandenen aber sehr traurig dastehenden Birken keinerlei Blätter entwickeln können. Nicht mal Knospen sind zu sehen. Durch dieses fehlende Grün wirkt die gesamte Landschaft sehr trostlos und jeder Baum erinnert mich etwas an Schaubilder der Biologie über die Adern und Venen des menschlichen Körpers. Ein See hat noch einiges an Eis an der Oberfläche und ich hocke mich ein Weilchen an den Rand, nehme ein paar Photos auf und lausche dem Eis beim Knarren und Zerbrechen.

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Der Gegenwind ist seit der Grenze gefühlt stärker geworden, also geht es noch schleppender voran. Kurzzeitig überlege ich, einfach schon nach 40km mein Nachtlager zu errichten, entscheide mich aber dagegen und passiere die beinahe einzigen zwei Möglichkeiten, überhaupt ein Zelt aufzustellen ohne dass es versinken würde. Meine Mittagspause, die erst gegen 17 Uhr Ortszeit (jetzt wieder gleichauf mit mitteleuropäischer Sommerzeit, also auch Deutschland) stattfindet, beschert mir eine mittelgroße Gemüsesuppe und ich lasse mir erneut jede Menge Zeit.

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Danach habe ich dann aber doch keine Lust mehr auf die Ödnis der Landschaft, setze Kopfhörer auf und höre Podcasts, während ich stärker in die Pedalen trete. Den Großteil der bisherigen Zeit über bin ich ohnehin nur auf Sparflamme und fernab meiner Leistungsgrenzen gefahren, um nachmittags noch genügend Energie für die längeren Strecken zu haben. Kautokeino ist nach etwa 70km nach meinem letzten Schlafplatz das Ziel, also kann ich das Ganze diesmal ruhig auch etwas anders angehen.

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Bis dahin ist links und rechts des Weges auch kaum etwas zu finden. Alle 25km eine Ansiedlung aus 5-10 Häusern, dann wieder Brachland. Sobald ich wieder zuhause bin, möchte ich mir unbedingt mal Winterbilder und Dokus über die durchfahrenen Landstriche ansehen, um mir das Leben hier etwas besser vorstellen zu können.

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In Kautokeino angekommen finde ich einen Campingplatz, auf dem ich mein Zelt für heute abstellen möchte. Die Rezeption hat bereits geschlossen, also rufe ich die angegebene Nummer an. Die Dame am anderen Ende der Leitung spricht nur Norwegisch, gibt das Telefon dann aber an einen Mann weiter, dem ich, nach seiner Bitte langsamer zu sprechen, klarmachen kann, dass ich heute gern über Nacht bleiben würde. Ich soll zum weißen Haus neben der Rezeption kommen. Dort empfängt mich auch direkt die Dame von zuvor und wir versuchen, uns klarzumachen, wie die Lage ist. Warum der Mann, der zumindest halbwegs Englisch verstehen konnte nicht dabei ist, ist mir schleierhaft. Mit Händen und Füßen und Aufmalen und -Schreiben macht sie mir Preise für Hütte und Zeltplatz klar und ich entscheide mich für den mit 11€ nur ein Drittel der Hütte kostenden Zeltplatz.
Weil die Sprachbarriere nicht schon schwierig genug war, kann ich auch nicht mit meiner Kreditkarte zahlen. Das hatte ich doch in Schweden schon mal …! Sie malt mir den Weg zum nächsten Automaten auf, sagt mir aber – bzw. zeigt auf den Kalender –, dass ich auch morgen zahlen könne. Ich baue also erstmal mein Zelt auf, was sich bei recht starkem Seitenwind als recht schwieriges Unterfangen erweist.

Danach fahre ich dann doch in den Ort und zurück, um morgen gleich komplett weiterfahren zu können, ohne noch einmal zurück zu müssen. Auf dem Weg mache ich dann meine ersten Erfahrungen mit der norwegischen Vorstellung von Supermarktpreisen. Ich wollte mir nur etwas zum Knabbern beim Lesen holen, finde aber nur Chips, die zwischen 2,60€ und 6€ (jeweils umgerechnet; der Wechselkurs liegt bei grob 1€ = 9,4NOK, also rechne ich im Kopf 1:10) pro Tüte kosten. Wohlgemerkt alles für 100-300g Packungen. Etwas versteckt finde ich dann doch noch Erdnussflips zu humanen 90ct für eine 250g Packung.

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Zurück am Campingplatz koche ich mir dann noch ein paar Ramennudeln zum Abendessen auf und esse etwas Brot. Der Platz ist voll mit Deutschen – Jülich, Rostock, Leverkusen, Ulm – und ich komme mit allen ein wenig ins Gespräch. Einer von ihnen kann mir glücklicherweise meinen 50NOK Schein gegen 10er Münzen wechseln, denn die Dusche verlangt 10NOK für sechs Minuten warmes Wasser. Duschen werde ich aber erst morgen früh, für heute verziehe ich mich mit Buch ins Zelt. Gute Nacht!

2 Replies to “Tag 26 – Enontekiö (FI)—Kautokeino (NO)”

  1. Jetzt beginnt die also doch, die Zielprokrastination vorm Kap ;-)

    Nein, das meine ich nicht ernst. Denn Du hast ja wirklich noch echte elf Tage Zeit bis Alta. Genieße es.

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