Tag 14 – Timrå—Noraström

Tag 14 – Timrå—Noraström

Wahnsinn. Bereits das Ende der zweiten Woche meiner Tour bricht heute an und es fühlt sich auf der einen Seite nach einer Ewigkeit weg von zuhause an, auf der anderen Seite aber auch so, als sei ich erst vor drei Tagen losgefahren.

Ich habe gestern mit Sundsvall und Timrå die Ostküste erreicht, nachdem ich von Orsa aus das Land gequert habe und wie mir gesagt wurde, komme jetzt der/ein spannender Teil der gesamten Reise: Die hohe Küste. Weltnaturerbe seit 2000 und durch zahlreiche Inseln und Halbinseln wohl absolut faszinierend anzusehen. Ich bin gespannt! Ich führe heute mein Landstreicherleben fort, nachdem ich gestern einmal schon morgens wusste, wo ich Abends schlafen würde, und fahre einfach so in den Tag hinein. Mal sehen, was er mir bringt.

Der Morgen beginnt mit einer großen Schüssel Haferflocken, Joghurt, frischem Obst und Lingonsylt, Milch, Brot mit Schinken und Honig-Senf aus Frankreich und ich schlage mir im Rahmen des mir Angebotenen ordentlich den Magen voll. So reichhaltig wird mein Frühstück nun wohl ein Weilchen nicht mehr sein.

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Um kurz vor halb zehn geht es nach Verstauen allen Gepäcks los. Die Wolken verdunkeln einige Teile des Himmels anfangs ordentlich, es soll heute jedoch nicht mehr regnen; die Temperaturen sind stark gefallen und ich bin froh über frisch gewaschene, warme und trockene Kleidung.

Meine ersten Kilometer verlaufen über fabelhaft glatten Asphalt, der als Radweg gekennzeichnet direkt neben der Straße verläuft. Zunächst durch eine kleine Parkanlage in einer Wohnsiedlung durch lande ich bald wieder auf dem Seitenstreifen einer größeren zweispurigen Straße.

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Nachdem ich auf der Karte sehe, wie viel Umweg meine geplante Route im Vergleich zur E4 ausmacht, denke ich kurz darüber nach, diese zu befahren – in diesem Teilbereich ist das Befahren der Kraftfahrstraße nämlich erlaubt. Ein kurzer Blick von einer die E4 querenden Brücke reicht mir aber schon völlig, um mich schnell dagegen zu entscheiden.

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Der Rand neben der rechten Spur ist winzig und es sind Geschwindigkeiten im dreistelligen Bereich erlaubt. Ich würde das Kap gern lebend erreichen und folge daher meiner Route durchs Hinterland. Es geht wie gewohnt bergauf und bergab, dabei verfolge ich auf Kopfhörern Hape Kerkelings Vorlesung von Ein Mann, ein Fjord. Die Nebenstraßen, denen ich meist folge, sind so wenig befahren, dass Kopfhörer keine allzu große Gefahr darstellen.

Es geht durch Wälder entlang kleiner Bäche und obgleich die Geschichte in meinen Ohren eher der etwas westlicheren Seite Skandinaviens folgt, schafft meine Umgebung eine perfekte Kulisse. Durch den Regen der letzten Nacht ist die Luft wunderbar klar gespült und es macht trotz Kälte Spaß, zu fahren. Wären da nicht diese ständigen Höhen, die es zu bewältigen gilt. Besonders heute sind sie ein wahrer Energiefresser und ich fahre lange Zeit so langsam, dass mein Dynamoladegerät nicht mal die Chance hat, seinen Pufferakku genug zu laden, damit das Handy signifikant voller wird. Den Tag über sehe ich die Ladeleuchte daher selten.

Zum Mittagessen gönne ich mir ein recht großes Schnitzel mit Bratkartoffeln und Salatbuffet, das ich inklusive Getränk für fast schon billige 8€ bekomme – und es schmeckte mir und sättigte mich so sehr, dass ich glatt ein wenig stehen lassen musste.

Auf eine Empfehlung hin fahre ich trotz des Umwegs nach Hemsö über. Der Fährmann entschuldigt sich, dass er mich zwar gesehen habe, aber die Fähre nicht stoppen konnte, da sie automatisch laufe. Dieser Umstand sorgt für eine Wartezeit von 30 Minuten, weil ich eine Minute zu spät ankam.

Auf Hemsö angekommen folge ich erstmal der Straße Richtung Norden der Insel, dabei fahren die sechs mit mir übergefahrenen Armeewagen an mir vorbei. Ich vermute einen Stützpunkt auf der Insel. Als ich nach einigen hunderten Metern ein Schild sehe, das zu einer Festung weist, folge ich. Es stand keine Entfernung drauf wie sonst so oft, daher gehe ich von einem kurzen Weg aus. Ein Fehler. Nach sechs Kilometern anstrengenden Schotterwegs auf und ab zwischen Tannen erreiche ich ein geschlossenes Tor und sehe so gut wie nichts. Was ein Reinfall! Auch der Rundweg, den ich nutzen wollte, um zur Nordseite zu gelangen, entpuppt sich als durch eine Schranke versperrt. Also fahre ich zurück.

Zunächst wollte ich doch noch zur Nordseite, sehe anhand der Distanzringe auf meiner Karte aber schnell, dass ich dafür hin und zurück noch mal mindestens 10km fahren müsste und rolle resigniert zurück zur Fähre. Immerhin geht es bergab. Vielleicht wegen falscher Wegentscheidung vielleicht, weil die Insel – wie so einiges in Schweden – besser per Auto durchkämmbar ist, war dieser Besuch relative Zeitverschwendung. Damit es nicht noch später wird, nehme ich die nächste Möglichkeit um 17.40, um die Insel wieder zu verlassen.

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Obwohl der Weg zu meiner Ursprungsroute wieder steil bergauf geht, versuche ich, mich etwas zu beeilen, denn ich will heute der hohen Küste zumindest noch deutlich näher kommen und mehr Kilometer auf meiner Route schaffen, um in den kommenden Tagen mehr Puffer zu haben. Und schlafen könnte ich hier gerade eh nirgends so wirklich.

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Schon bald erreiche ich die massive Högakustenbron, eine beträchtlich lange und hohe Hängebrückenkonstruktion, die über einen mit der Ostsee verbundenen Wasserarm gespannt ist. Sie ist für mich gewissermaßen das Tor zur hohen Küste und meine erste Nutzung der E4. Da sie – kilometerweite Umwege mal nicht beachtet – der einzige Weg für Fußgänger und Radfahrer ist, auf die andere Seite zu gelangen, ist eine recht breite Spur für „uns“ vorhanden.

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Besonders mit der großen Fläche, die ich mit meinen Taschen dem Wind gegenüberstelle habe ich etwas Schwierigkeiten, die Brücke zu passieren ohne ins Wanken zu geraten. Vorbei fahrende LKW machen die Situation dann nicht unbedingt besser. Immerhin wechseln die meisten Überholenden auf die linke Spur und fahren somit nicht mit nur wenigen Zentimetern Abstand an mir vorbei.

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Der Blick von der Brücke ist toll, besonders, da die Sonne noch einmal ihr Bestes gibt. Meine Fahrt auf der E4 endet so schnell wie sie anfing. Schon kurz nach der Brücke sind Schilder aufgestellt, die auf ein Verbot für Radfahrer, Fußgänger und untermotorisierte Fahrzeuge hinweisen. So geht es für mich wieder einmal durchs Hinterland vorbei an Feldern; Wasser bekomme ich nur in Form von inländischen Seen mit.

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Um kurz vor Acht, spät wie bisher noch nie auf meiner Tour, baue ich am Rande eines Felds mein Zelt auf. Direkt daneben verläuft ein Bach, Mücken sind aber keine zu vernehmen. Die nächsten Häuser befinden sich am Rand eines 250m-Radius, sichtbar ist mein Standort aber dennoch recht gut, vor allem von der Straße aus. Vorgestern habe ich damit allerdings auch keine zu schlechten Erfahrungen gemacht, also passt das für heute. Die Sonne geht inzwischen um 21.40 Uhr unter, als ich aber um 23 Uhr schlafbereit bin, ist es noch immer so hell draußen, dass ich ohne Probleme mein vorm Zelt stehendes Rad sehen kann.

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Durch die ganzen hügeligen Straßen auf dem Weg bin ich so müde, dass ich nicht mal das Ende des 5-Minuten-Timers meiner Podcastapp mitbekomme.

One Reply to “Tag 14 – Timrå—Noraström”

  1. Autsch,
    der Tipp mit Hemsö ging daneben.
    Das die sehenswerte Festung ( mit tollem Blick aufs Meer) geschlossen hatte, ist natürlich doof gelaufen.
    Das tut mir leid.

    Ich versuche es noch einmal.
    Suche den Weg zur Küste.
    Er lohnt sich da oben immer.
    Seen hast du doch schon reichlich gesehen….

    Liebe Grüße vom jetzt regnerischem Niederrhein.

    Tom

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