Tag 19 – Kåge—Piteå

Tag 19 – Kåge—Piteå

Wie vermutet bin ich sehr schnell eingeschlafen. Irgendwas muss ich aber noch beim Anziehen der Schlafmaske beachten, denn sie ist mir beim Schlafen wieder runtergerutscht, sodass ich pünktlich zum Sonnenaufgang um drei Uhr wach werde, danach aber zum Glück auch schnell wieder einschlafe. Das Thermometer zeigt -1°, aber im Schlafsack ist es kuschlig warm.

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Ab 7.30 Uhr schiebe ich das Aufstehen immer weiter nach hinten, bis Regentropfen auf dem Zeltdach mich zum Sputen auffordern. Regenklamotten an, alles eingepackt, schnell noch zwei Bananen reingedrückt und los geht es. Die ersten zwei Kilometer sind super, danach beginnt, angekündigt von einem Baustellenschild, ein Schotterweg der schlimmsten Sorte. Ich kann keine zwei Meter vorankommen, ohne dass das ganze Rad rüttelt, weil der Boden voller Schlaglöcher und Wellen ist. Nach etwa einem Kilometer schreie ich den Boden an, schaue auf die Karte, drehe um und fahre 13km über die E4. Zwar ist hier der Randstreifen quasi nicht existent und zwischen 5 und 20cm breit, aber ich kann mit 20-30km/h vorankommen und für mein Seelenheil ist es allemal besser so. Nur ein LKW überholt mich mit wenig Abstand, das aber auch nur, weil er selbst gerade auf der anderen Spur überholt wird.

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Gegen kurz nach elf komme ich in Byske an und verkrieche mich ins erstbeste Restaurant, das auf der Straße mit dagens lunch für 79SEK wirbt. Draußen regnet es. Ich bestelle das Tagesangebot, das aus BBQ-Ribs besteht und bediene mich am Salatbuffet. Erstmal warte ich fast zwanzig Minuten darauf, dass mir jemand die bestellten Ribs mit Bratkartoffeln bringt, bis ich durch neue Gäste mit vollen Tellern herausfinde, dass auch das Essen warm gehalten in Buffetplatten gegenüber vom Salatbuffet steht. Wie dusselig! Da hätte ich auch ewig warten können.

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Im Regen geht es weiter und ich entscheide mich, auch den Rest bis Piteå weiter der E4 zu folgen. In Piteå kann ich dann bei entfernten Verwandten meines WarmShowers-Hosts in Timrå unterkommen. Die Distanz bis Piteå, besonders per Kraftstraße, ist eine recht angenehme. Etwa 45km liegen nach dem Restaurantbesuch vor mir, doch sie ziehen sich, obwohl ich teils mit Geschwindigkeiten über 25km/h vorankomme. Zwar ist die Straße physisch deutlich weniger anstrengend, dafür psychisch umso mehr. Der 5-20cm breite Asphaltstreifen neben der Randmarkierung, den ich zum Fahren nutze, fordert viel Konzentration. Zwar könnte ich notfalls jederzeit ins Schotterbett daneben ausweichen, ohne Schäden zu nehmen, das wäre dann aber wieder mit Anstrengung verbunden. So geht es Kilometer um Kilometer die Straße entlang, den Blick fest auf den Boden getackert.

Nach einiger Zeit im Sprühregen komme ich dann endlich in einem Vorort von Piteå an. Dank Christians freundlicher Leihgabe erreiche ich den Ort mit trockenen und warmen Beinen und meine sonstige Kleidungswahl war auch gut, denn obwohl ich stellenweise meinen Atem in Form von leichten Schwaden vor mir sehen konnte, war mir durchgehend angenehm warm, auch bei kürzeren Pausen.
Ich treffe meine Gastgeberin im Gemeindehaus der Kirche, bei der sie arbeitet. Dort auch eine vor zwölf Jahren hierher gezogene Deutsche und zwei anderen Damen, mit denen ich mich ein Weilchen unterhalte. Da alle etwas versetzt dazu kommen, beantworte ich fast ständig dieselben Fragen, freue mich aber über das Interesse. Während wir rausgehen, erzählt meine Gastgeberin etwas von der Lokalzeitung, ich habe sie aber nicht so ganz verstanden. Bis wir dann bei ihr Zuhause ankommen.

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Es stellt sich heraus, dass der örtliche Pfarrer, dem sie von mir erzählte, meine Reise so aufregend fand, dass er gleich die Lokalzeitung anrief, um ein Interview mit mir durchzuführen. Muss ein spannender Ort hier sein! Kurz nach Ankunft kommt dann auch eine Reporterin und spricht ein paar Minuten mit mir über mein Vorhaben, meine Beweggründe, was ich so dabei habe und über die Einsamkeit auf dem Weg, danach nimmt sie draußen ein paar Photos auf. Dadurch, dass meine Gastgeberin mit Zugang mir den Artikel geschickt hat, ist er wohl bis morgen Nachmittag auf der Zeitungsseite erreichbar, allerdings natürlich in schwedischer Sprache. Die Google-Übersetzung liefert aber halbwegs okaye Ergebnisse und lässt den Sinn hinter den Worten erahnen. Mit so etwas hätte ich nicht gerechnet! Eher noch damit, dass irgendwann eine Anfrage einer der Lokalzeitungen aus der Heimat kommt. So gibt es nun eben ein wenig Öffentlichkeit in einem kleineren Ort in Nordschweden. Ob ich das zukünftig in Lebensläufe schreiben sollte?

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Nach dem Abendessen dem ich beiwohnen darf, wird mir angeboten, ein bisschen die Stadt zu erkunden, indem sie und ihr Mann mich etwas herumfahren und mir zu den Orten erzählen. Ich nehme das Angebot gern an und so fahren und schlendern wir den Strand entlang, mir wird die Innenstadt gezeigt, die laut einer Plakette wohl in den Sechzigern die erste Stadt mit Fußgängerzone in Schweden war, und wir fahren noch zur Kirche mit sehr alten kleinen Hütchen drumherum, die sehr pittoresk den Vorplatz zieren.

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Ein trotz Regen und langweiliger Strecke dennoch sehr ereignisreicher Tag endet heute und ich freue mich auf das, was noch so kommen mag.

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5 Replies to “Tag 19 – Kåge—Piteå”

  1. Lieber Patrick,

    das mit dem Artikel in der Zeitung ist ja unglaublich. Wir freuen uns total für dich. Es freuen sich so viele Menschen mit dir, dass sie besonderen Anteil durch deinen Blog bzw. den dazugehörigen Bildern nehmen können. Wir sind im Gedanken bei dir und freuen uns über jeden Eintrag in deinem Blog. Wir haben dich lieb und sind mächtig stolz und zugleich beeindruckt von deiner Leistung. Wie aber Thomas vor ein paar Tagen schon schrieb, DER WEG IST DAS ZIEL. Wenn es dir an einem besonderen Platz super gefällt, dann genieße ihn und verweile noch eine Zeit dort. Aufgrund deiner bisherigen Leistung müsstest du dein Endziel pünktlich erreichen. LG M und P

  2. Hallo Patty ! Jeden Tag Deine Berichte zu lesen ist für uns eine Bereicherung. An Regentagen und schlechten Radwegen fühlen wir immer mit Dir,ebenso freuen wir uns wenns Dir gut geht und Du nette und hilfsbereite Menschen triffst.Weiter so pass auf Dich auf . Liebe Grüße O&O

  3. Das mit dem Artikel ist ja toll!

    Deine Bilder bekommen einen besonderen Reiz; du hast ein wunderbares Licht, wie man es wohl nur so weit oben findet.

    Ich bin auf die nächsten gespannt.

  4. Von hier aus ist der Artikel nicht einsehbar. Vielleicht kannst Du ihn Dir irgendwie in eine PDF-Datei drucken (oder doch noch eine der Zeiungen bekommen), als ewige Erinnerung.

    1. Die Möglichkeit habe ich mobil leider nicht, ich habe mir aber Screenshots des gesamten Artikels gemacht. Schade, dass ausgerechnet der hinter einer Paywall ist! Aber notfalls zahle ich dann zuhause eben die 30ct und drucke mir das dann aus.

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