Tag 30 – Lakselv—Nordkapp

Tag 30 – Lakselv—Nordkapp

Der Tag beginnt mit Sonnenschein, der auf mein Zelt scheint und ich stehe frohen Mutes etwa eine halbe Stunde, bevor die Zwei aus der Schweiz aufbrechen, auf, sodass ich mich noch verabschieden kann. Mit meiner ständigen Photographiererei und den Geocaches entlang des Weges passt mein Fahrstil auf längere Sicht nicht unbedingt zu dem der beiden, sodass ich mich gar nicht erst bemühe, rechtzeitig mit ihnen zusammen abreisen zu können. Nach einer tollen Regendusche – erwähnte ich bereits, dass 5€ für Zeltplatz, Dusche und Waschmaschine ein sagenhaftes Angebot sind? – setze ich mich in aller Ruhe in die Küche, die vollausgestattet ist, und esse das ein oder andere Brot mit Nussnougatcreme und Erdnusbutter, während ich weiter in einem der mitgenommen (E-)Bücher schmökre.

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Etwas später als vorgehabt aber doch noch zu einer okayen Zeit, trete ich um kurz nach elf meine Reise für den heutigen Tag an. Einem Schild nach sind es noch 193km bis Nordkapp, wo entlang des Weges ich heute schlafen werde, weiß ich noch nicht. Ich trödle entlang des Weges ziemlich viel rum, halte andauernd für Photos, zum Naschen und für Geocaches an und bin überhaupt relativ langsam. Der Wind kommt von vorn, ist anfangs aber noch relativ schwach.

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Während all der Photographiererei bestaune ich immer wieder die Berge auf meiner Küstenseite und auf der gegenüberliegenden Seite der Meerzunge. Von kleinen Rinnsalen bis zu Wasserfällen fließt auf verschiedene Arten Wasser vom Gipfel die Hänge entlang zum Meer. Ein schöner Anblick!

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Dadurch, dass mein Weg die ganze Zeit über an der Küste entlang führt, werde ich noch oft mit großartigen Eindrücken überhäuft, rechts das Meer, mal etwas zurückgezogen, später näher, überall Möwen, links beeindruckende Felsen. Und immer wieder kleine, oft rote Holzhäuschen direkt am Meer, die eine atemberaubende Aussicht auf das Meer haben müssen.

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Inzwischen wollen es die Rentiere echt wissen und mein Zähler ist schon am Anfang meiner Tagesreise nur für diesen Tag dreistellig. Überall treten sie in kleineren Rudeln auf und fressen und laufen tollpatschig vor sich hin.

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Trotz ständiger kürzerer Pausen mache ich erst in Olderfjord meinen ersten richtigen Halt. Da Sonntag ist, hatten alle Einkaufsmöglichkeiten geschlossen und meine Knabbervorräte sind mir ausgegangen, also steure ich auf das Restaurant eines Campingplatzes zu. Wo ich gestern bei Pizza ab 14€ für eine kleine Margherita noch abgewunken habe, sind mir, hungrig wie ich bin, gerade selbst 18,50€ für einen Burger mit Pommes egal. Immerhin war er lecker, obgleich ich dafür in Deutschland nie so viel ausgeben würde. Da müsste schon mehr kommen. Glücklich und satt setze ich dann meine Fahrt entlang der Küstenstraße E6 fort. Eine Schnapsidee setzt sich in meinem Kopf fest und wird noch von der Zufallswiedergabe meines Handys untermalt – Who needs sleep? singen da die Barenaked Ladies und ich denke mir: Hmmm … . Ob ich einfach durchmache und ohne Übernachtung ans Kap fahre?

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Als an einem Punkt ein Schild auf 99 Restkilometer hinweist, ist der Entschluss gefasst. Zwar habe ich schon fast ebenso viele Kilometer für heute auf dem Tacho, aber versuchen kann ich es ja mal.

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Hier lerne ich die von vielen schon beschriebenen Tunnel kennen. Einige hassen sie, andere sind zwiegespalten, ich mag sie sehr gern. Zumindest so, wie ich sie kennengelernt habe: Weitgehend leer. Es ist deutlich kälter im Berg, dafür aber windstill. Die Wände sind oft weitgehend naturbelassen und so kann ich entlang der 400 bis 3000m langen Tunnel auf Stein schauen, der den Felsen draußen ähnelt.

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Dabei tropft atmosphärisch und mit viel Widerhall Wasser von der Decke und ich stelle fest, wie viel toller es hierin ist, auch noch zu singen. Sobald der erste LKW mich überholt, bin ich froh, nicht zur Hauptverkehrszeit hier zu sein, denn es ist verdammt laut und ich höre den Motor schon hunderte Meter, bevor ich überhaupt eingeholt werde. In weiser Voraussicht habe ich allerdings Kopfhörer angezogen, was das Ausmaß der Ohrenbelästigung in Maßen hält.

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Um elf Uhr nachts, 12 Stunden nach Aufbruch in Leksalv, komme ich nach einigen harten Steigungen, die mich nach 140km in müdem Zustand doch stark fordern, am berühmt-berüchtigten Nordkapptunnel an. Ein 6,8km langer Tunnel, der das norwegische Festland und die Nordkappinsel Magerøya verbindet. 212m unter Normalnull ist die tiefste Stelle unterm Meer und da es am Anfang wie am Ende auf etwa 0m üNN reingeht, lässt sich erahnen, welche Steigung überbrückt werden muss. Bergab gestaltet es sich einfach. 50-60km/h und gut ist. Allerdings habe ich offenbar ein Horrorfilmpaket mitgebucht, denn einige der Tunnellichter flackern plötzlich oder gehen ganz aus und werfen gruslige Schatten auf die steinbelassene Wand und ich bilde mir immer wieder ein, Gestalten und Gesichter zu erblicken.

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Der Weg bergauf ist dann dennoch mühsam und ich schleppe mich mit 5-8km/h die Steigung hoch und pfeife irgendwann sogar auf meine „Ehre“ und schiebe ein paar Meter. Für mehr bin ich einfach zu fertig und selbst nach täglichem Training komme ich mit zu hohen Kilometerleistungen und Steigungen noch immer nur schwer zurecht. Für den kälter und kälter werdenden Weg unters Meer bin ich kuschlig warm angezogen, für die Anstrengung des Wegs nach oben aber eindeutig zu warm. Vier Schichten sorgen für allerhand Nässegefühl und alles ist eklig.

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Aus dem Tunnel raus strahlt mich die Sonne an und ich nehme mir vor, doch nur bis Honningsvåg, dem ersten nennenswerten Ort nach dem Tunnel, zu fahren, um dort was zum Schlafen zu suchen. Allerdings finde ich keinerlei Wildzeltmöglichkeiten und Campingplätze gibt es so recht auch keine – und selbst wenn, will ich keine 15€ für 5 Stunden Aufenthalt zahlen. Für einen Moment denke ich darüber nach, es mir auf einer Bank vor dem Gemeindezentrum der gegenüberliegenden Kirche mit Schlafsack gemütlich zu machen, direkt an der Straße gelegen bereitet mir der Gedanke aber so viel Unbehagen, dass ich die Stadt letztlich doch wieder verlasse und mir vornehme, die nächste Möglichkeit zum Zelten zu nutzen. Möglichkeit um Möglichkeit bietet sich, aber ich fahre weiter. Und weiter. Höhenmeter rauf, ein wenig wieder runter, noch mehr rauf. An einem Campingplatz, den ich passiere, fülle ich meine Wasserflaschen auf – zum Glück ist auch um 3 Uhr nachts die Küche offen – und danach geht es weiter. Die letzten 25km vorm Kap sind in meinem Zustand dermaßen anstrengend, dass ich andauernd Halt mache oder schiebe. Die Aussicht ist aber phantastisch. Spiegelnde Trinkwasserseen, eindrucksvolle Bergformationen, Schnee, Dutzende, manchmal gar über hundert Rentiere in kleinem Umkreis.

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14km vorm Ziel entdecke ich zwei Campingplätze, hadere kurz, setze dann aber doch den Weg fort. Und werde mit Gegenwind aus der Hölle bestraft. Und noch hässlicheren Aufstiegen, die mir jegliche noch verbleibende Kraft rauben. Erst einen Kilometer vor Ankunft in Nordkapp kann ich das Hauptgebäude klar und deutlich sehen und komme um kurz vor sechs Uhr am Globus an, der inzwischen stellvertretend für diesen Ort steht. Am 30. April in Trelleborg aufgebrochen und gegen sechs Uhr gefahren, komme ich nun am 30. Mai wieder um fast sechs Uhr an. Das Plateau ist menschenleer, denn es befinden sich wahrscheinlich alle in den zig Wohnwagen und -mobilen, die auf dem Parkplatz stehen. Aufs Plateau kam ich übrigens ohne irgendeine Kontrolle oder Zahlung. Zwar ist es für Radfahrer und Fußgänger ohnehin kostenlos, der Schalter war aber unbesetzt und Schranken offen.

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Völlig übermüdet versuche ich ganz langsam, mein Zelt aufzubauen, der Wind ist aber so stark, dass es sich beim Aufbauen entweder immer wieder zusammenfalten will oder wegzufliehen droht, also lege ich am Ende nur die Zeltunterlage auf den Boden, beschwere die Ecken mit Steinen und platziere Isomatte und Schlafsack darauf. Beide haben sich bisher als exzellente Wärmer offenbart und so mache ich mir keine Sorgen, wegen Kälte nicht schlafen zu können. Und schlafe sofort ein. Auf dem Tacho stehen über 200km …

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8 Replies to “Tag 30 – Lakselv—Nordkapp”

  1. Lieber Patty: Wir sind einfach nur stolz auf Dich ,was Du geleistet hast ist sagenhaft. Wir freuen uns auf Dich ,und wünschen Dir eine entspannte Heimreise . Dein täglicher Bericht wird uns fehlen. Ales Glück dieser Welt wünschen Dir O&O.

  2. Lieber Patrick,
    endlich am ersehnten Endziel angelangt. Du hast in den knapp
    4 Wochen eine wahnsinnige Leistungen vollbracht, auf die du noch lange Zeit zurückblicken kannst. Es wird dir in ewiger Erinnerung als etwas ganz besonderes bleiben. Vor deiner Leistung ziehe ich ganz fest den Hut und frage mich schon, wie wir die schönen Abende mit ohne deinen Blog verbringen werden. Auch dass du die ganz Nacht durchgefahren bist, finde ich schon bemerkenswert. Pass noch schön auf dich auf. Wir freuen uns auf deine Heimkehr. Ganz liebe Grüße M und P

  3. Genau! Was für ein Finale!
    Du wirst Dein Leben lang an diese Wochen denken und kannst Dir sagen: »Ich habe damals etwas ganz Besonderes geleistet!«
    Finde ich jedenfalls.
    Meinen tief empfundenen Glückwunsch und eine wunderschöne, entspannte Restzeit!
    Gruß
    Jochen

  4. Respekt, eine starke Leistung hast Du in den vergangenen Wochen abgeliefert. Es war ein Vergnügen Deine Berichte zu lesen und durch die vielen Bilder dabei zu sein. Es wird mir fehlen. Komm gut wieder heim.
    Gruß Doris

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