Tag 21 – Boden—Svartbyn Överkalix

Tag 21 – Boden—Svartbyn Överkalix

Heute soll das Wetter deutlich besser werden. Gestern mittag habe ich, was im Regen völlig untergegangen ist, eine Marke überschritten: Die restlichen Kilometer bis zum Nordkap sind jetzt dreistellig! Etwa 960km sind es jetzt noch und wenn alles halbwegs läuft wie bisher, sollte ich noch diesen Monat meinen Endpunkt der Reise erreichen können. Aber bis dahin ist es immerhin noch ein Stück. Alles unter 70km am Tag kommt mir inzwischen fast wie eine Kurzstrecke vor, wenn ich ausrechne, wie viele Tage ich wohl noch habe. Ich bin gespannt, wie sich die Einkaufs- und Unterkunftslage wohl noch entwickelt. Allerdings werde es wohl bald wieder etwas wärmer und ich kann eventuell sogar noch einmal mit kurzer Hose fahren, sodass ich die nicht das letzte Drittel über sinnlos mit mir herumtrage.

Dass es heute besser wird, zeigt sich bereits beim Aufstehen. Bis auf wenige Wolken am Horizont ist der Himmel strahlend blau und die Sonne ist sichtlich bemüht, all die nassen Flecke von gestern wieder trocken zu bekommen. Ich hoffe auf klare Luft und einen halbwegs trockenen Boden heute Abend, wenn ich mein Zelt aufschlage. Auf jeden Fall sind heute eher Sonnencreme und kürzere Klamotten angesagt, nachdem der gestrige Tag aus Ganzkörperregenschutz bestand.

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Über Nacht konnten Schlafsack und Isomatte endlich einmal auslüften und komplett trocknen, das hatte ich bei den letzten drei Möglichkeiten nämlich nicht getan. Beim Frühstücken, Duschen, Fertigmachen, Zeugseinpacken lasse ich mir jede Menge Zeit. Bevor ich die Stuga verlasse, sauge ich noch mal durch, den das mit reingenommene Rad hat einiges an Sand und Schotterstaub auf den Boden rieseln lassen. Um 10.15 Uhr geht es dann los und ich muss bloß noch den Schlüssel bei der Rezeption angeben. Die Dame dort ist dieselbe wie gestern Abend; gestern hatten wir uns eine ganze Weile über Tourismus in Schweden, die hohe Küste, das Jedermannsrecht und das Klarkommen mit besonders langen Sommer- und besonders kurzen Wintertagen unterhalten, heute verabschiedet sie mich mit einer geschenkten Loca-Flasche – Wasser mit Zitronengeschmack. Nach einem Wort des Danks und der Verabschiedung trete ich endlich meinen Tagesweg an.

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Der Bodträsket, ein kleiner See in Boden, sieht toll aus und begleitet mich die ersten Meter lang mit schöner Aussicht, danach geht es auf einsamer werdenden Straßen weiter. Ich höre ausnahmsweise mal Musik – zum ersten Mal auf der gesamten Tour – und merke an jeder Gänsehaut und jedem Mitfiebern bei besonders gelungenen Songstellen, wie sehr ich das vermisst habe. Ich rolle Genesis-Songs mitsingend zwischen in Sonne getauchten Wäldern durch, Fallout Boy und Green Day tragen mich größere Anstiege hoch, Porcupine Tree und Jamie Cullum lassen mich in Verbindung mit Seeblick und Wäldern fast weinen; mir geht es blendend! Ich merke dabei ganz besonders, wie sehr meine Laune vom Wetter abhängt und was für ein Schönwetterradler ich doch bin. Und wie viel Glück ich dabei bisher hatte.

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Kurz vor Niemisel sehe ich den Mittitjärnen, der schon von der Straße aus fabelhaft ruhig aussieht. Es geht einen kleinen Weg runter, an dessen Ende drei Hütten stehen. Die links erinnert mich ein wenig an eine Saunahütte, ist aber eine zum Grillen benutzbare Hütte. Darin ist rundum eine Bank, in der Mitte eine Feuerstelle mit Kaminabzug und es steht ein Grill im Raum. Ein Schild an der Außenseite des Gebäudes weist darauf hin, dass das hier für die Allgemeinheit sei. Toll! Die anderen beiden Hütten beherbergen Feuerholzspeicher und Plumpsklos.

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Ein paar Meter runter zum Wasser ist eine von einer Bank umgebene Feuerstelle sowie zwei Stege. Es ist herrlich ruhig und niemand hier, also entscheide ich mich, hier zu mittag zu essen. Auch dabei lasse ich mir wieder jede Menge Zeit. Ein seit langem andauerndes Funkloch trägt noch mehr dazu bei, dass ich die Umgebung vollends genießen kann.

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Danach geht es weiter. Kilometer um Kilometer und all das ohne auch nur einen Meter Schotterpiste und das bei herrlichem Wetter! Der erste Ort mit ernstzunehmender Einkaufsmöglichkeit auf den ich treffe ist Morjärv. Von Boden aus etwa 70km entfernt. Hier zeigt sich wieder, wie weit hier einiges auseinander liegt und wie sinnvoll es für mich ist, etwas zu planen und immer etwas Notfallessen dabeizuhaben. Im Coop Nära stocke ich Schokoladenvorräte auf, danach suche ich noch einen Geocache, der an einem historischen Ort versteckt ist. Die Cache Beschreibung weist darauf hin, dass die Stelle die letzten Überreste einer Ampel im Ort beherbergt. Inzwischen ist dort nur ein Zebrastreifen und an einem Schild ist zur Erinnerung noch der Drücker angebracht, der den Passierwunsch signalisiert.

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Nachdem ich hierher eine Weile nach Osten gefahren bin, geht es endlich wieder nördlich weiter nach Överkalix. Auf dem Weg dahin sehe ich drei Rentiere, die mitten auf der Straße stehen und sich erst vom Fleck bewegen, als ich nur noch 30m entfernt bin. Nach Vieren, die ich etwas früher am Tag in einem Waldstück gesehen habe stellen diese Drei eine meiner ersten Wildsichtungen der Reise dar. Elche fehlen leider weiterhin.

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Was mir besonders entlang der Landstraßen und Autobahnen leider immer wieder auffällt: lange Streifen voller Müll, meist aus Plastik. Je länger ich hier in der Natur unterwegs bin, desto mehr ärgert mich das Verhalten, das dazu führt. Okay, es stehen nirgends Mülleimer entlang der betroffenen Parkbuchten, aber es wäre logistisch auch etwas schwierig, die Tonnen ständig zu leeren und es ist wirklich nicht zu viel verlangt, den Müll einfach noch ein Stück weiter mitzunehmen und zuhause oder am Ziel richtig zu entsorgen. Aber was weiß ich schon.

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Kurz vor Överkalix esse ich noch eine Pizza und schaue so langsam auf der Karte, wo ich strategisch sinnvoll einen Schlafplatz suchen könnte. Damit ich morgen noch mal einkaufen kann, schlage ich mein Lager etwa 5km vorm Ort auf, nur ein bisschen von meiner Route entfernt. Ein toller Tag und die dritte Woche meiner Reise endet.

Weitere Bilder gibt es wie immer auf Instagram

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5 Replies to “Tag 21 – Boden—Svartbyn Överkalix”

  1. Lieber Patrick,

    wieder einmal tolle Bilder, einen Text der mich zum schluchzen bringt und freue mich, dass du ein tolles Wetter erwischt hast.

    Vielen Dank für die tollen Berichte und Bilder

      1. Wir haben immer einen genommen.
        Verfehlen kannst du ihn nicht.
        Es war immer mindestens ein Strich auf der Fahrbahn.

        LG
        Tom

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