Tag 35 – Olderfjord—Alta

Tag 35 – Olderfjord—Alta

Der Wetterbericht gestern sagte Regen für die nächsten paar Tage bevor, es höre allerdings heute gegen 7 Uhr kurz auf, also stellte ich meinen Wecker auf halb sieben und kann tatsächlich eine halbe Stunde später im Trockenen mein Zelt abbauen. Ausschütteln und mit einem Handtuch abwischen muss ich es zwar trotzdem, um keinen nassen Klumpen in die wenig atmungsaktive Tasche zu stopfen, aber immerhin regnet es nicht dauerhaft nach.

Um halb Acht dackle ich mit fertig gepacktem Rad zum Aufenthaltsraum, in dem ich gestern schon den Großteil des Tages verbracht habe, und sitze meist schweigend mit den Norddeutschen im Raum und esse meine Haferflocken, während ich lese.

Heute möchte ich bis Alta kommen, also passe ich die kurze regenfreie Phase ab und will um zehn Uhr verschwinden. So jedenfalls der Plan. Dann kommt mir allerdings der 19-jährige Tübinger in den Weg, mit dem ich mich bei allerhand Trödelei noch eine ganze Weile über seine Reise unterhalte.
Das Wetter ist dermaßen wechselhaft, dass es nicht den Zeitpunkt gibt, um aufzubrechen. Im einen Moment teilweise aufgeklarter Himmel und Sonnenschein, kurz darauf – das Fahrrad kurz unbeaufsichtigt mit offenen Taschen vor der Küche stehen gelassen – regnet es wieder in Strömen.

Um halb zwölf breche ich dann doch in einem kurzen Moment der Regenpause auf und habe mich präventiv direkt in meine Regenklamotten gehüllt. Jacke, Hose, Schuhüberzieher. Eine gute Entscheidung, wie sich noch herausstellen soll. Für den Weg hole ich mir im kleinen Lädchen noch 200g Schokolade für 6€ und stelle wieder einmal fest, wie teuer hier doch alles ist, besonders in kleineren Ortschaften.
Dann geht es los und ich nehme an einer Weggabelung die Weststraße nach Alta, die über einen kleinen Pass führt.

Der Wind kommt aus Westrichtung und beschert mir daher den gleichen Effekt, den ich auf dem Weg nach Olderfjord schon hatte: Ich fahre praktisch gegen eine Wand. Dazu kommt noch die Steigung, sodass ich ständig auf meine Reifen schaue, in der Angst, meinen ersten Platten zu haben.
Weil Steigung und Gegenwind aber nicht reichen und ich ja das Komplettpaket gebucht habe, gesellen sich bei 4°C laut Thermometer aber auch noch Eisregen und gelegentlicher Hagel dazu und es fällt mir heute wirklich schwer, irgendetwas schönes und positives daran zu sehen. Okay, noch bin ich nicht gestürzt, aber ist das ein Trost? Es gibt gerade Hunderte Orte und Umstände, die mir lieber wären.

Die Kleidung hält mich soweit warm, mit der Zeit friert mir aber mein Gesicht immer mehr ein und ich mache absurde Grimassen, um durch ein wenig Muskelbewegung zumindest für etwas Linderung zu sorgen. In Skaidi, knapp 25km nach meiner Abzweigung in Olderfjord, ist es mir dann zu bunt und ich setze mich erstmal in ein Café/Restaurant ins Warme. Draußen steht bereits ein anderes voll bepacktes Tourenrad. Drinnen treffe ich dann die Besitzerin – eine Endzwanzigerin aus Orléans, Frankreich. Sie ist seit drei Tagen auf der Straße, hat aber ein fünfmonatiges Reiseprojekt bis Portugal in Planung. Während des Grummelns über das Wetter erzählt sie mir von Busverbindungen und obwohl ich den gesamten Weg allein schaffen wollte, bringt mich das Gefühl des Unwohls immer mehr dazu, Gefallen an dem Gedanken zu finden.

Der Bus nach Alta fährt erst um 17.25 Uhr, es wären also vier Stunden Wartezeit angesagt gewesen, es ist aber auch möglich, über Hammerfest dorthin zu gelangen und laut Fahrplan ginge es auch schon um 14.20 los. So sieht es jedenfalls aus, denn der Fahrplan ist eine dicht bedruckte Tabelle ohne Horizontallinien, sodass ich in der Zeile verrutscht war. In Wirklichkeit fährt er planmäßig schon fünfzehn Minuten eher.
Es stehen allerdings zwei Wohnmobile aus Frankreich vor der Tür und obwohl die neu getroffene Bekanntschaft direkt sagt, dass Franzosen eher nicht zu so Freundlichkeiten neigen, fragt sie nach einer Mitnahme. Und sie sollte Recht behalten. Obwohl die Kabinen hinten bei beiden noch jede Menge Platz hätten, wird ein wir haben keinen Platz vorgeschoben.
Kurz nach Ende des Gesprächs rollt dann allerdings der verspätete 14.05-Bus nach Hammerfest ein. Radmitnahme ist möglich, gestaltet sich aber schwierig. Beinahe erstmalig auf der gesamten Tour muss ich alle Taschen abnehmen und die Räder müssen unschön übereinander gelegt werden, da der Kofferraum nicht hoch genug ist, um sie aufrecht zu lagern. Naja.
Die Busfahrt ist dann sehr wacklig, denn die Straßen nach Hammerfest sind absolut räudig und werden gerade erst saniert. Aber es ist warm und trocken und fühlt sich nach der richtigen Entscheidung an. Trotz des Regens sind draußen schöne Szenerien sichtbar, ich mache aber wegen der Scheibenspiegelung und meiner Busübelkeit keine Photos und konzentriere mich lieber auf den Horizont.

Gefühlt etwa eine Stunde später kommt der Bus an. Am Busterminal ist direkt die Touristeninformation gelegen, sodass es einfach fällt, nach Verbindungen nach Alta zu fragen. Eine Schnellfähre fahre in einer Stunde rüber und der Anleger sei gleich um die Ecke. Nun gut. Den obligatorischen Pin später und eine kleine Runde durch die Information gedreht, die neben allerhand Wissenswertem zu Eisbären auch viele ausgestopfte Tiere der Region zeigt, geht es raus. Es regnet und stürmt und das Wetter ist ganz allgemein ziemliche Grütze. Obwohl ich gern ein wenig von Hammerfest gesehen hätte, scheint mir dann aber unterstellen als die einzig sinnvolle Alternative.

Möwengemengelage #AnsKap #norwegen #Norway #norge #hammerfest #möwe #mauve

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Das Boot erscheint etwa eine Viertelstunde zu spät und das Verladen der Räder erweist sich als äußerst schwierig, denn der Außenbereich ist sehr beengt und der kleine Lagerraum bietet kaum Platz für mehr als die zwei Räder mit allen Packtaschen.
Eine Mitarbeiterin auf dem Boot weist uns darauf hin, dass die Räder fest stehen sollten, da die Fahrt wacklig werde. Noch weiß ich nicht, was auf mich zukommen wird. Augenscheinlich hält das ganze aber halbwegs, also rein in den Raum mit den Sitzen. Um mehr zu sehen, steure ich direkt nach vorne zu den Sitzen am Fenster, die als einzige Anschnallgurte vorweisen und werde von derselben Mitarbeiterin darauf hingewiesen, dass einem hier vorn schnell schlecht werde und dass es weiter hinten sinnvoller sein könnte. Okay … was passiert hier gleich?

Ganz typisch norwegisches Taxi #AnsKap #norwegen #Norway #norge #taxi #nyctaxi #hammerfest

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Ich erfahre es kurz darauf. Der Fahrstil erinnert mich mehr an den beim Rafting und das Boot fegt mit 60km/h laut GPS durch das ohnehin schon aufgewühlte Meer. Und das nicht in einer geraden Linie, sondern ständig im Zickzack fahrend. Bei jeder Links- und Rechtsdrehung spritzen enorme Wassermassen die gesamte Schiffflanke entlang und der Raftingeindruck verhärter sich mehr und mehr.
Die Fahrt ist mit fast 30€ inklusive Fahrradmitnahme verdammt teuer, das ist mir aber in dem Moment fast egal, denn es regnet und stürmt weiterhin und der Fahrstil ist durchaus eine Attraktion.

Auf der sehr schaukligen Fähre von Hammerfest nach Alta #AnsKap #Norwegen #Norway #Norge #Water #splash #boat #ferry

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In Alta angekommen hat der Regen etwas nachgelassen und es nieselt bloß noch beständig. Während der Fahrt haben wir Campingplätze mit Hüttenvermietung ausgekundschaftet und sind beim Camp Alta auf einen Campingplatz mit Onlinepreisliste gestoßen. Für andere Anbieter erschien das offenbar nicht so sinnvoll. Ist ja auch eine irrelevante Information …
Für 450NOK, also etwa 47€ gibt es jedenfalls eine simple cabin, die neben einem warmen Raum und Schlafmöglichkeiten nicht viel zu bieten hat – Küche, Duschen und WCs müssen wie von Zeltern gemeinschaftlich genutzt werden. Passt aber, wenn man sich den Preis teilt, denn der ist für die Hütte und nicht pro Person angesetzt.

Das Wetter für die nächsten Tage soll so grützig bleiben, also verbringe ich Teile meiner Abendplanung mit Gegrübel über die nächsten Tage. Meine Couchsurfinggastgeberin kann mich erst ab Montag beherbergen, also werde ich am Samstag wohl mal in die Stadt von Alta fahren und einen Karton zum Radtransport kommende Woche organisieren, den ich hoffentlich im Radladen zwischenlagern kann. Mal sehen.

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